Neue . Skulptur . Weimar . 2014 . Biennale Weimar - Holzdorf

Beate Debus . Ulrich Eißner . Konstanze Feindt Eißner . Juli - September

Nach fünfzehn Jahren "Skulptur.Weimar" gibt die Kuratorin Elke Gatz-Hengst (Galerie Profil Weimar) der von ihr initiierten Ausstellungsreihe als "Neue.Skulptur.Weimar" in diesem Sommer ein anderes Gesicht. In Zusammenarbeit mit der Stadt Weimar und der Diakoniestiftung Weimar Bad Lobenstein zeigt sie Exponate in der Innenstadt, im Kulturbahnhof Weimar, aber von nun an auch im Park des Landgutes Holzdorf. Sie rückt damit einen fast vergessenen und doch so geschichtsträchtigen Ort in den Fokus unserer Aufmerksamkeit und hebt ein Stück Weimarer Kulturgeschichte neu ins Bewußtsein.

Nach seiner Ersterwähnung im 13. Jahrhundert lange Zeit unbewohnt, erhält das Landgut Holzdorf an der südlichen Stadtgrenze Weimars in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts überragende Bedeutung für die Bildende Kunst. Dr. Otto Krebs, erfolgreicher Manager der Mannheimer Strebelwerke, erwirbt das Landgut 1917 und baut dort eine der weltweit größten privaten Sammlungen impressionistischer Gemälde und zeitgenössischer Plastiken auf. Antike Möbel, belgische Gobelins und vergoldete Ledertapeten gehören - zum Teil bis heute - zur Ausstattung des nunmehr repräsentativen Herrensitzes, in dessen versteckten Tresoren die wertvolle Gemäldesammlung denn auch vor dem Zugriff des NS-Regimes erfolgreich verborgen werden kann.

Leider nicht vor dem Zugriff der russischen Besatzungsmacht: 1949 wird die Sammlung abtransportiert und ist seither ein wichtiger Schatz der Petersburger Eremitage. Die Diakoniestiftung gGmbH, die seit 1999 das Landgut besitzt und nutzt, hat allerdings auf Initiative und Vermittlung der FH Erfurt hin ein Projekt mit getragen, in dem Petersburger Studierende 20 Repliken der wertvollen Gemälde anfertigten. Die Sammlung dieser Kopien ist dauerhaft im Herrenhaus ausgestellt und jeden ersten Sonntag im Monat öffentlich zugänglich: Ein wesentlicher Schritt hin zur Erinnerung an die einstige Bedeutung des Gesamtkunstwerks "Landgut Holzdorf".

Auch die Ausstellungsreihe "Neue . Skulptur . Weimar" wird ab diesem Sommer im Zwei-Jahres-Rhythmus einen wichtigen Beitrag zur Belebung des Holzdorfer Parks leisten. Denn selbstverständlich schmückten auch Skulpturen den Park des Otto Krebs: Werke von Degas, de Fiori, Rodin oder Meunier, die nach diversen Besitzerwechseln sicherlich nicht wieder nach Holzdorf zurückkehren werden. Nachdem im vergangenen Jahr zwei der dem Park noch verbliebenen Kalksteinplastiken Joseph Heises mit Hilfe privater Spenden durch den Weimarer Verein "Grüne Wahlverwandtschaften" gereinigt und restauriert werden konnten, werden nun auf den zum Teil noch vorhandenen Sockeln, die einst die Skulpturen Maillols und Rodins trugen, neue Arbeiten der Dresdner Bildhauerin Konstanze Feindt Eißner aufgestellt. 1966 in Dresden geboren, absolvierte Konstanze Feindt Eißner von 1982-1989 Abendstudium, Förderklasse und Studium an der Hochschule für Bildende Künste (HfBK) Dresden und ist seit 1990 Mitglied im Bundesverband Bildender Künstler. Seit 1993 freischaffend tätig, erhielt sie verschiedene Auszeichnungen, schuf mehrere Auftragsarbeiten im öffentlichen Raum und entwarf u.a. die Bronzefigur des seit 2010 verliehenen Dresdner Friedenspreises. In ihrem zeichnerischen wie in ihrem skulpturalen Werk arbeitet Konstanze Feindt Eißner figürlich. Nach Holzdorf bringt sie elf Werke aus Sächsischem Sandstein mit, zumeist lebensgroße Figuren, Paare oder Torsi. In ihrer bildhauerischen Arbeit beginnt Konstanze Feindt-Eißner ohne Vorzeichnung vor dem Steinblock und läßt oft über Wochen eine Figur als, wie sie selber formuliert, "Übersetzungsversuch von psychischen und gesellschaftlichen Zuständen" entstehen. Spannung und Verkrampfung, Befreiung und Gelöstsein, Stolz oder Scham, Abwehr, Einigelung oder Hingabe werden als mögliche Grundhaltungen oder konkrete Verhaltensweisen des Menschen aus den Steinen herausgemeißelt. Dabei bleibt das Gesicht der Figuren leer: Der ganze Ausdruck einer dadurch überindividuellen Skulptur liegt in ihrer Körperhaltung, die den jeweiligen Seinszustand widerspiegelt.

Den Arbeiten von Konstanze Feindt Eißner treten zwei Werke von Ulrich Eißner zur Seite, der auch den KulturBahnhof Weimar mit einer Skulpturengruppe ausstattet. 1962 in Karl-Marx-Stadt geboren, sammelt Ulrich Eißner erste künstlerische Erfahrungen als Theaterrequisiteur in seiner Heimatstadt und an der Semperoper. Ein Studium der Theaterplastik an der HfBK Dresden schließt sich zwischen 1984 und 1989 an und mündet wiederum in die Arbeit an der Chemnitzer Bühne. Seit 1990 ist Eißner Mitglied im Bundesverband Bildender Künstler. Als außerplanmäßiger Professor für Theaterplastik ist er seit 2005 an der HfBK Dresden tätig und wurde für einzelne Arbeiten mehrfach ausgezeichnet. Im Werk von Ulrich Eißner fällt vor allem die ungewöhnliche Vielfältigkeit der verwendeten Materialien ins Auge: Eißner arbeitet seine figürlichen Reliefs, portraitgenauen Büsten, seine Tierskulpturen und ausdrucksstarken Figurengruppen u.a. in Stein, Holz, Porzellan, Gips, Schnee, Bleiguß, Polymerbeton oder Bronze. Die bis zu viereinhalb Meter hohen Arbeiten kommentieren in ihrer prototypischen Ausformung auf vielfältige Weise die Grundlagen unseres Zusammenlebens. In der persiflierenden Charakteristik der "Stützen der Gesellschaft", aus denen sechs Figuren und ein Hund im KulturBahnhof zu sehen sind, offenbart sich ein satirisch-kritischer Zugriff auf die Welt, der Ulrich Eißner seit Mitte der 80er Jahre auch als Kabarettist in Dresden erfolgreich sein läßt.

Am Theaterplatz und vor dem Wittumspalais zeigt die "Neue . Skulptur . Weimar . 2014" zwei Bronzen von Beate Debus. 1957 in Eisenach geboren, wurde Beate Debus zwischen 1973 und 1980 zur Holzbildhauerin ausgebildet und absolvierte ein Studium für Holzgestaltung an der Fachschule für Angewandte Kunst Schneeberg. Seit 1980 ist Beate Debus Mitglied im Verband Bildender Künstler und freischaffend tätig. Sie erhielt mehrere Kunstpreise und Förderstipendien und ist auf internationalen Bildhauersymposien präsent. In ihrer Kunst geht Beate Debus vom Bewegungsraum und den Bewegungsmustern des menschlichen Körpers aus, jedoch sind die Skulpturen vollständig vom Figürlichen abstrahiert. Die beiden ausgestellten Werke, "gegenläufiger Tanz" und "exzentrischer Tanz", zeigen besonders gut, wie Debus' Kunst die Grundlagen körperlicher wie seelischer Regungen reflektiert: Freiraum und Balance, Schwäche und Standhaftigkeit, Stütze und Erdung, Kleinmut und Überspannung werden als fundamentale Dichotomien in den Energiepotentialen des Menschen greifbar - in der Form, aber auch in der dualistisch kontrastierenden Farbgebung der Paarskulpturen.

Das Landgut Holzdorf ist verkehrstechnisch gut angebunden: Vom Haltepunkt Holzdorf der Bahnstrecke Weimar-Bad Berka aus ist der Park in wenigen Gehminuten zu erreichen.

Dr. Cornelie Becker-Lamers, Weimar