Devin Miles

Rede zur Ausstellungseröffnung

Mit der Initiatorin Marina Zollmann während der Grußworte des Künstlers Foto: Jürgen Scheerer

POM im b59 Jena, 20. April 2013. Eine Veranstaltung der Galerie Kunstraum Jena

Lieber Devin Miles, liebe Marina Zollmann, lieber Herr Heckel, lieber Herr Dimmig, sehr geehrte Damen und Herren,

man kann der Galerie Kunstraum Jena nur dazu gratulieren, wieder einen Künstler zu zeigen, der in Thüringen selten zu sehen ist und dessen Werke in den letzten Jahren rasant im Wert gestiegen sind. Um die Arbeiten von Devin Miles reißen sich derzeit die Kunstliebhaber, es gibt Vorbestellungen für die Kleinauflagen seiner Siebdrucke, Vorbestellungen mit Wartezeiten.

Als ich den Auftrag zur Laudatio erhielt, dachte ich: Devin Miles, aktuelle PopArt, wird in den Kunstzeitschriften als "Keeper of Tradition" bezeichnet - als Bewahrer der Tradition - er macht diese Bilder mit den Starfotografien und den Autos - da erzählst du was über das Kulturelle Gedächtnis, paßt schon. Als ich die Werke dann wirklich in Augenschein nahm, sah ich erst, welchen "Hosenboden" diese Arbeiten haben und welches erkenntniskritische Potential durch die darin verwobenen Texte in den Werken steckt. Mit "Kulturellem Gedächtnis" allein ist es da nicht getan.

Aber der Reihe nach. Wer ist Devin Miles? Jahrgang 1961, hat sein Atelier nahe Hamburg, von Hause aus Grafiker und Maler. Seit etwa acht Jahren hat er sein künstlerisches Handwerkszeug um die Siebdrucktechnik erweitert und das war der entscheidende Punkt, der seiner Kunst zum Durchbruch verhalf.

Was wir hier vor uns sehen, sind die derzeit typischen Devin-Miles-Arbeiten aus gebürsteten Aluminiumplatten, aufgedruckten Fotografien und deren Übermalungen. Gedruckt wird mehrfach übereinander mit verschiedenen Sieben, bis zu 15 Arbeitsgänge pro Arbeit - die Bilder von Devin Miles werden von Jahr zu Jahr vielschichtiger. Vielschichtiger im ganz wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Und damit kämen wir auch schon zu den Interpretationsansätzen für diese Werke.

Was ist das Besondere an den Bildern von Devin Miles? Warum finden sie solchen Anklang? Was rührt den Betrachter an und fesselt ihn?

Da ist ganz oberflächlich betrachtet zunächst - die Oberfläche: Das gebürstete Aluminium glänzt und schimmert, bricht vielfältig das einfallende Licht, da die kreisenden Bewegungen der Bürste das Material in vielen kleinen Flächen strukturieren. Ein erster Blickfang.

Was den Blick länger fesselt, sind die bekannten Gesichter: Steve McQueen, Brigitte Bardot, James Dean, Audrey Hepburn, immer wieder Romy Schneider, witziger Weise auch die Freiheitsstatue und nicht zuletzt Marilyn Monroe, die Andy Warhol in seiner PopArt-Kunst ja ebenfalls verschiedentlich vervielfältigt hat - Sie kennen dieses berühmte serielle Bild, das Monroes Gesicht in immer andere Farben taucht.

Während Andy Warhol damit aber auf die Produzier- und Reproduzierbarkeit der Kunst selber aufmerksam machen wollte, geschieht in den Werken von Devin Miles etwas anderes. Die Idole, deren Abbildrechte er bei den verschiedenen Agenturen erwirbt, bleiben in jedem einzelnen Werk nicht unkommentiert. Sie stehen nicht allein, sondern werden zu diversen anderen Bildelementen in Beziehung gesetzt.

Was in der Werbung als beliebte Strategie seit langem existiert: Die Aufwertung eines Produktes durch die Person, die es bewirbt, wird in Devin Miles Bildern reflektiert: Hier wirkt das Konsumprodukt plötzlich auf die Person zurück. Eine Schauspielerpersönlichkeit und ein hochwertiges Konsumprodukt werten sich gegenseitig auf, indem sie hier gemeinsam abgebildet werden: Romy Schneider oder Brigitte Bardot und der Parfümflacon von Chanel No 5, Audrey Hepburn und das Logo von Louis Vuitton. James Dean oder Steve McQueen und der Porsche 911, Romy Schneider und der Mercedes. Marylin Monroe mit dem Schriftzug von Cartier, dazu ein Zitat aus ihrem mindestens ebenso traurigen wie witzigen Schlager "Diamonds are a girls best friend". Zu den textlichen Teilen der Werke von Devin Miles kommen wir gleich noch ausführlicher zurück. Bleiben wir zunächst bei den Produkt-Schriftzügen. Durch die gemeinsame Abbildung bestätigen sich Konsumprodukt und mediales Produkt, daß sie in derselben ersten Liga spielen.

Und daß sie gleichermaßen für die Gesellschaft verfügbare, medial aufgewertete oder sogar medial hervorgebrachte Produkte sind. Das klingt, so gerade heraus formuliert, in Bezug auf die abgebildeten Schauspielerinnen und Schauspieler vielleicht ein bißchen brutal. Ich glaube dennoch, daß die Bilder von Devin Miles eine solche Interpretation hergeben.

Sehen Sie, wie oft Zeitschriftentitel in die Bilder integriert sind: "Picture Post", "Le Monde", "TIME", "Vogue", Schlagzeilen wie "troublante et fascinante Romy Schneider" ("verwirrende und faszinierende Romy Schneider") - das Reden über die Schauspielerinnen und Schauspieler, ihre gesellschaftliche Einordnung, ihr Ranking durch Preise, aber auch durch Journalisten, tragen maßgeblich zum Gelingen einer Schauspieler-Karriere bei.

Kommen wir nun zu den Textpassagen in den Collagedrucken von Devin Miles und damit zur dritten Ebene, auf der diese Werke funktionieren und den Betrachter nachhaltig fesseln können: Von der Regenbogenpresse gerne so genannte "Bilder aus glücklichen Tagen" - oder tatsächlich Filmstills - werden von Devin Miles nicht nur zu Produkten in Beziehung gesetzt, sondern auch mit Interviews über die inzwischen verstorbenen Frauen oder Briefen der Frauen selber unterlegt. So taucht in den Arbeiten zu Romy Schneider immer wieder ein Interview vermutlich mit Alain Delon auf, ihrem französischen Filmpartner und langjährigem Freund, in dem thematisiert wird, wie die deutsche Boulevardpresse Romy Schneiders Übersiedlung nach Frankreich aufnahm - man identifizierte sie hierzulande ja bekanntlich mit ihrer Rolle als Kaiserin Sissi und zeigte sich empört darüber, wie tief sie durch ihre Arbeit beim französischen Film nun doch gesunken sei. Das Interview stellt auch die Schuldfrage nach den Gründen für Romy Schneiders "Zerrissenheit" - "déchirement" - und erhält die Antwort, der deutsche Film habe ihr keine interessanten Angebote gemacht und ihre Mutter sei die eigentlich Verantwortliche für Romys Schicksal. Man muß das ein bißchen mit Vorsicht genießen, wenn man Romy Schneiders Biographie anschaut - die Veruntreuung ihrer Gagen durch ihren Stiefvater, das Durchbringen ihres Geldes durch den zweiten Ehemann, wodurch die bestens bezahlte Schauspielerin am Ende vor einem Schuldenberg stand - das war auch hart. Zuletzt der Unfalltod ihres Sohnes. Also man muß dieses Interview als Einzelmeinung auffassen und überprüfen - aber die Werke von Devin Miles regen eben genau zu solchen Reflexionen und Nachforschungen an, darin besteht auch eines ihrer großen Verdienste.

Noch ergreifender als das Interview über Romy Schneider finde ich persönlich den Brief Audrey Hepburns an Stanley Kubrick, in dem sich die Schauspielerin für das Rollenangebot des Regisseurs zwar bedankt - es ging damals um einen Film über Napoleon, Audrey Hepburn sollte die Joséphine de Beauharnais spielen, der Film wurde tatsächlich nie gedreht - ihm aber schreibt, sie brauche eine Pause, sie könne derzeit nicht arbeiten und sich keine neuen Projekte vornehmen (Bild "Tiffany"):

Sunday 17 Nov '68
Dear Mr. Kubrick
Thank you for the kind letter you wrote me - I am flattered and happy you would like me to work with you. I still don't want to work for a while so cannot commit or involve myself in any project at this time. I hope you understand this..... and will think of me again someday?
Thank you again. Warmest wishes. Audrey Hepburn

In der Tat drehte Audrey Hepburn, Jahrgang 1929, zwischen 1967 und 1976 keinen Film, d.h. mit 38 glaubte sie diesen Beruf, der so sehr das eigene private Leben überformt, nicht mehr ausüben zu können. Die Überformung des eigenen Ich durch die Schauspielerei haben nicht nur Romy Schneider und Marylin Monroe erlebt, sondern natürlich auch Audrey Hepburn: Sie verlor aufgrund von Dreharbeiten für einen Western ein Kind, mit dem sie schwanger war.

Die Kombination der Fotografien von Stars und biographischen Äußerungen verleiht den Werken von Devin Miles eine zeitliche Dimension, die Möglichkeit einer psychologischen Tiefe, einer Erinnerungstiefe. Sie bieten Ansätze zur - in den 90er Jahren hätte man gesagt: Dekonstruktion der abgebildeten Personen, also zu ihrer Zerlegung und vollständigeren Wiederzusammensetzung, zum tieferen Verständnis.

Zum tieferen Verständnis der abgebildeten Menschen, die sich eben nicht in der strahlenden Oberfläche erschöpfen, deren Abbildung uns so wichtig und reizvoll ist. Die Schauspielerinnen und Schauspieler werden in der Tat als Geschöpfe unserer Medien greifbar, in denen sie zur Selbstvergewisserung unserer Gesellschaft dienen. Die Festlegung eines Schönheitsideals etwa ist in jeder Gesellschaft ein ganz zentraler Punkt. Früher haben diese Aufgabe die Mariendarstellungen übernommen [einer solchen hat sich Devin Miles in einem überdimensionalen Ourdoor-Adventskalender im vergangenen Advent übrigens auch schon einmal zugewandt]. Zur Zeit, da sich niemand für Marienstatuen interessiert, fällt diese Aufgabe den Schauspielerinnen und Models zu, die das vorgeschriebene Ideal dann allerdings - anders als eine Statue - tatsächlich zu leben haben.

Devin Miles also ein "Keeper of Tradition", zweifellos, doch weit mehr als das. "Unerwartete Bild-Text-Kombinationen lassen jedes Werk eine eigene Geschichte erzählen", sagt der Künstler selber über seine Werke. In der Tat: In der Auswahl der Bilder und Zitate bewahrt Devin Miles seine künstlerischen Gegenstände nicht nur für das Kollektive Gedächtnis auf, er interpretiert sie auch. Zum "Keeper of Tradition" kommt der "Interpreter of Tradition" hinzu.

Was natürlich nicht heißt, daß man sich nicht einfach auch nur an den schönen Gesichtern und Automobilen erfreuen kann. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend!

Dr. Cornelie Becker-Lamers, Weimar