Gedanken zu Philip Oeser

Kopiert. Gefärbt. Gefügt. Gedruckt. Geprägt.
Aus vielen Schichten erst entsteht ein Bild.
Aus großen Blättern Formen frei gelegt.
Geklebtes waschen: Décollage. Mild.
Und Pergament befreit, das schlecht gehegt.
Hier schützt die Spiegelschrift ein Sepia-Schild.
Kann man beschreiben, was derart geschichtet?
Wo Sinngehalt sich wie die Form verdichtet?

Das „A und O“ ist häufig jetzt zu sehen:
Mal fast verschluckt in Farbe, mal im Kreis,
kann – transzendent – auch neben Kreisen stehen,
ganz jungfräulich in reinem Weiß auf Weiß.
So nennt DER WAHRE sich, zu dem wir flehen,
der End und Anfang setzt auf sein Geheiß:
Die Welt ist Buch, der Himmel Schriftenrolle,
geschrieben: Tod. Und das Verheißungsvolle.

Als „Warnung“ lesen wir ein altes Zeichen.
Die Elemente sind hier umgekehrt.
Doch Chaos muss noch stets der Ordnung weichen.
So zeigen es die Bilder Oesers: Unversehrt
der Kreise Linien – niemals zu erreichen
von Flammen, die das Innere zerstört.
Bedrohliche Erscheinung
: ’S scheint, zum Auge,
zum Bild der Sphärenharmonie sie tauge.

Form und Verformung: Seht hier Oesers Themen.
Metamorphose. Nicht der Große Knall.
Zeigt er uns Pferdeköpfe auch wie Schemen,
brächt’ einst der Letzte Reiter uns zu Fall,
lasst „fair is foul and foul is fair“ vernehmen:
Voll Neubeginns und Sterbens ist das All.
Das Leben über Tod den Sieg errang.
Und doch ist manche Kindheit Untergang.

Das zyklisch Werdende liest man hier ab:
Die Kreise heil. Ein jedes Bild erhebt,
was schon von jeher Kulten Nahrung gab,
wovon der Glaube an das Leben lebt:
dass Acker werden müsse jedes Grab,
dass jedes Ende einen Anfang webt.
Wir glauben’s heute. Es stimmt in Äonen,
litt Johannes auch die Folter der Visionen.

Die Frau gebiert, und vor ihr harrt der Drache.
Das Kind wird leben, denn es ist ein Riese.
Ob Himmels Zorn und zorn’ger Engel Rache,
das ew’ge Buch ein mildes Los uns kiese,
die Flamme Läuterfeuer nur entfache? –
Ist ‚Botschaft’ Oesers Kunst, so ist es diese:
Geschenkten Lebens würdig man sich mache.
Dass selbst man Leben sei. Und dass man wache.

Cornelie Becker-Lamers

Versmaß und Reimschema obigen Gedichts sind Ludwig Uhlands Gedicht Ein Abend angeglichen, das Philip Oeser in seinem Werk – die Bilder flieh’n – verarbeitet hat.

Das Gedicht erschien zuerst im Druck als Flyer zur Ausstellung „Philip Oeser – Neue Arbeiten“ der Galerie Profil Weimar, 31. Januar – 12. März 2009.