Matthias Geitels „Erfurter Trilogie“

" ... deutlich zu machen, wo man ist, was man tut, und wie man es tut" (Catherine David)

Seit Oktober vergangenen Jahres rundet die Aufzeichnung erinnerter Monologe von Matthias Geitel eine Serie von Künstlerbüchern ab, die, zur Erfurter Trilogie zusammengefaßt, jetzt im Buchhandel erhältlich ist. Angesiedelt zwischen hochpoetischer Literatur und selbstreflexiver Ausstellungsdokumentation, umkreisen die drei Teile der Trilogie, Remember some objects. Erinnere Dich an einige Dinge (entstanden 1994), Erinnerungen an eine Ausstellung (1995) und Aufzeichnung erinnerter Monologe(1996) das Thema der „Erinnerung.“

Drei Aspekte besitzt, was im Werk Matthias Geitels „Erinnern“ heißt: Zum einen bezeichnet es den Versuch, die latenten Sinnschichten im Veralteten, Verfallenen und Ausgeschiedenen unserer Kultur in der Kunst zu reaktualisieren und so über die Erinnerungswürdigkeit vergangener Realitäten mitzubestimmen. Prinzipiell der Kunst Marcel Duchamps verpflichtet, erweitert Geitel die reine Ästhetik des objet trouvé, indem er den gefundenen Gegenständen in seinen Objektgruppen Kunstgegenstände zur Seite stellt: „Erinnerung bedeutet Kommunikation“ (Remember some objects). In der Spiegelung des gefundenen Gegenstandes in der Kunst ist das Objekt zur Materialität dieser Kommunikation geworden.

An die Seite dieses inhaltlichen Aspekts tritt die formal-künstlerische Strategie, mit Hilfe des „Erinnerns“ einen Kontext aufzureißen, im Rahmen dessen Geitel seine Kunst – und seine Person – als Innovation und Besonderheit präsentieren kann. „Keine weiteren Angaben“ (in: Erinnerungen an eine Ausstellung) nennt sich die Installation, in der Geitel neben den aus den spätmittelalterlichen Matrikeln der Universität zusammengesuchten Lebensdaten Erfurter Studenten die eigenen Lebensdaten als ebenso marginal und – historisiert – ebenso einzigartig im Kunstwerk ausstellt.

Der dritte Aspekt des „Erinnerns“ ist die Überführung der eigenen Kunst in die Literatur. Akribisch beschreibt Geitel seine Werke von der Idee an, um sie aufzubewahren nach der Auslöschung. Die Film-Dokumente gewesener Aktionen können dabei in neue Installationen eingehen und diese selbstreflexiv weiterführen: So besteht der dritte Teil der „suche nach licht“ zur Hälfte aus einer Videoschleife, die aus den Aufnahmen der beiden ersten Teile derselben Installation zusammengeschnitten ist. Diese Fortführung nun wiederum zu speichern, d.h. die Dokumentation der Dokumentation zu betreiben, wir Aufgabe des zweiten Künstlerbuches: Erinnerungen an eine Ausstellung. Neben tatsächlich durchgeführten Installationen werden hier aber auch „Objekte und Installationen – Angermuseum Erfurt 27.9.–12.11.1995“ beschrieben. Der scheinbaren „Erinnerung“ an diese Ausstellung, während der „im Museum Beschäftigung mit dem urbanen Raum“ stattfindet, folgt lapidar der Vermerk: „Die geplante Ausstellung konnte aus finanziellen Gründen nicht realisiert werden.“ Daß die beschriebene Ausstellung nicht stattfinden konnte, scheint die unwichtigste Information des Textes: Am Ende der „Erinnerungen“ tritt,, was hätte sein können, gleichrangig neben das Gewesene. Vom Zwang zur Materialisierung aber Abstand zu nehmen und dem Denkbaren Vorrang vor dem Faktischen zu geben, ist das Charakteristikum der Literatur.

So sind die Künstlerbücher Geitels zwar auch Kataloge. Sie sind aber zugleich weiter mehr als das. Reich durch Abbildungen von Objektsgruppen und Installationen unterstützt, sind die oft lyrischen Texte, in denen Geitel seine Kunst zitiert oder in die er die Nacherzählung seiner Kunst kleidet, für sich allein lesenswert. Und lesbar wird vor allem eines: Daß Geitels Kunst nicht nur hohen ästhetischen Ansprüchen gerecht wird, sondern auch hohen intellektuellen Ansprüchen vor dem Hintergrund zeitgemäßer Kunsttheorien standhält.

Cornelie Becker


Zuerst erschienen in: Weimar Kultur Journal. Zeitschrift für die Region Weimar, Erfurt, Jena, Apolda, Jg. 6, Nr. 6/1997, S. 34.

Matthias Geitel, Erfurter Trilogie, Erfurt 1996, ISBN 3-00-000852-7.