"Barbara Burck. Lichträume"
Rede zur Ausstellungseröffnung
Galerie Kunstraum Jena, Freitag, 10. Mai 2013, 19 Uhr
Liebe Barbara Burck, liebe Frau Zollmann, meine sehr geehrten Damen und Herren,
eine Ausstellung mit Malereien von Barbara Burck macht es dem Betrachter leicht und der Laudatorin schwer. Denn Barbara Burcks Bilder sprechen unmittelbar an und nehmen den Blick sofort gefangen. Was soll man da viel reden?
Aber vielleicht können wir doch im Sprechen der Wirkung der Bilder ein wenig auf die Spur kommen - gemeinsam überlegen, warum sie so auf uns wirken, wie sie es tun. Die Bilder, da bin ich sicher, werden uns danach womöglich doch noch besser gefallen.
Tragen wir zusammen, was zunächst an den Bildern auffällt.
Die Farbe sicherlich. In Barbara Burcks Bildern ist alles Farbe. Farbe, aus der das Sujet entsteht, die Figuren und die Perspektive. Farbe, aus der der ganze Bildraum entsteht. Farbe, die die Tiefe des Raumes oder die Weite einer Landschaft zeigt ohne jede Linie, ohne Zeichnung oder Kontur der Figuren. Farbe, die die Formen hervorbringt - das zeigen die vielen Skizzen, die hier zur Betrachtung mit ausliegen. Diese Skizzen entstehen als erster Arbeitsschritt und geben die Struktur eines neuen Bildes vor.
Die Farben also bringen die Formen hervor - auf den Skizzen wie im fertigen Werk. Aber warum fesseln sie uns auf den fertigen Gemälden so ungleich stärker? Ich denke, das Faszinierende an der Farbbehandlung im Werk von Barbara Burck ist, daß die Wirkung des Lichtes so gut zur Geltung gebracht wird. Eines Lichtes, durch das die Schatten nicht schwarz und die Wolken nicht weiß sind. Eines Lichtes, durch das der Nebel nicht milchig ist und der Winter nicht grau. Eines Lichtes, das uns den Schaum des Meerwassers förmlich an den Füßen spüren läßt und den Blick in die Diele mit dem Geruch von Holz auflädt. Eines Lichtes, das das Warten in der Stadt zur Blauen Stunde macht und die Haare des Mädchens zum Leuchten bringt.
Wie fängt man dieses Licht ein? In unzähligen Schichten entstehen die Bilder von Barbara Burck. Man muß wirklich sagen: Sie entstehen, die Malerin läßt sie wachsen - mit viel Zeit und vielen Pausen zum Schauen und Wiederschauen, Verbessern, Übermalen und Warten, daß das Typische an einer Szene sichtbar wird, das die Malerin uns in diesem speziellen Bild zeigen möchte.
Vom Eindruck des Schnappschusses ist in einem der Katalogbeiträge die Rede, des Schnappschusses, weil Augenblicke mitten aus dem Leben, mitten aus einer Bewegung heraus eingefangen sind. In den Bildern von Barbara Burck sehen wir - zumindest, wenn es um Darstellungen von Menschen geht - Situationen, die es wert sind, betrachtet zu werden, gerade weil sie im nächsten Moment vergangen sind. Und dennoch sind es keine bemerkenswerten Zufallsfunde beim Gang durch die Stadt, die vielleicht ein aufmerksamer Fotograf festhalten würde. Sicher, auch Barbara Burck fotografiert, wenn auf einem täglich überquerten Platz plötzlich einmal das Licht stimmt oder sich gerade eine interessante Personenkonstellation ergeben hat. Aber aus hundert Fotos, die im Atelier dann auf dem Boden ausliegen, kristallisiert sich im Arbeitsprozeß eben das eine, dann doch fiktive Bild heraus, in dem die Figuren aus verschiedenen erlebten Situationen künstlerisch frei komponiert werden.
Und so kommt es zum Eindruck des Wahrhaftigen, eben ganz Typischen, das diese Gemälde auszeichnet: Das Typische etwa in den leicht nach innen gekehrten Füßen der Wartenden, in der etwas nach oben gezogenen Schulter dessen, der seine Umhängetasche durch die Forsythienbüsche trägt, in der Raffung des Kleides der "Strandläuferin", die auf uns zu durch die ankommenden Wellen spaziert.
Die kunstfertige Komposition der Bilder wird auch in anderen Elementen deutlich: Sehen Sie die Herausarbeitung der Diagonalen in der "Stadtszene 3" und öfter - ein ganz klassischer Kunstgriff in der Malerei zur Bildraumgestaltung. Die Plazierung der "Strandläuferin" genau in der Mittelachse des Bildes.
Noch etwas ist hervorzuheben, das die spezifische Wirkung der Bilder von Barbara Burck ausmacht. Es hängt wiederum mit der Farbe zusammen und ist der Farbauftrag. Pastos nennen das die Kunstwissenschaftler, wenn die Farbe üppig aufgebracht wird, so daß sie einem aus dem Bild förmlich entgegenkommt. "Es wirkt ja richtig dreidimensional", sagte am Donnerstagabend eine Besucherin, als wir uns unterhielten, warum die Bilder von Barbara Burck in Wirklichkeit noch viel schöner sind als auf den wirklich guten und farbechten Fotografien in den Katalogen. Es ist eben der leidenschaftliche Umgang mit der Farbe, der auf den Betrachter wirkt und durch keine Abbildung wiedergegeben werden kann.
Es ist dies vielleicht das einzig dingfest zu machende Erbe des Lehrers Bernhard Heisig, das man in den Bildern Barbara Burcks finden kann. Auch Heisig, zweifellos einer der bedeutendsten Maler der DDR, war ja für seinen expressiven Umgang mit der Farbe bekannt. Barbara Burck war Heisigs Meisterschülerin Mitte der 80er Jahre, nachdem sie von 1979 bis 1985 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig bei Heisig studiert hatte und bevor sie dann ab 1987 freischaffend in Leipzig tätig wurde - ein Lebensmittelpunkt, der immer wieder durch Arbeitsstipendien und Studienaufenthalte u.a. 2005 in Florida unterbrochen wurde. Geboren wurde Barbara Burck 1960 in Berlin und wuchs bei Rostock auf - ein biografisches Fundament, das verständlich macht, warum es Barbara Burck immer wieder an die Ostsee, auf den Darß, nach Ahrenshoop zieht, und die Serien von Bade-Bildern so authentisch und lebensnah entstehen können.
Serie ist noch ein gutes Stichwort, denn in der Tat malt Barbara Burck in Serien. Gerade weil jeweils Typisches in ihren Bildern herausgearbeitet wird, können nicht alle Aspekte einer Situation in eine einzige Darstellung einfließen. Das Thema, das die Künstlerin gerade fesselt, wird darum in einer Reihe von Bildern immer wieder durchdekliniert: Die Badenden, die Familien, die ihre Freizeit auf der Sommerwiese genießen, die Parklandschaften und Stadtansichten, derzeit sind es die Wartenden, die Barbara Burck in ihrer Kunst umkreist.
Die thematischen Serien bedingen Farbschwerpunkte in den verschiedenen Arbeitsphasen - derzeit herrscht das Blau in den Stadtlandschaften vor, davor waren es die Beige-Braun-Grüntöne der Parklandschaften.
Die Künstlerin fotografiert die verschiedensten Szenen - ich hatte es schon erwähnt - um im Atelier die Bilder in Ruhe reifen zu lassen. Obwohl also der passagere Augenblick eingefangen scheint, sehen wir keine Plein-Air-Malerei, also keine im Außenraum, in der Landschaft direkt vor dem Sujet entstandene Kunst. Diese Idee - raus aus dem Atelier - hatte ja die Impressionisten Mitte des 19. Jahrhunderts so fasziniert, weil auch sie das Licht in den verschiedenen Situationen des Tages einfangen und zeigen wollten (Corot, Renoir, Monet u.a.).
Barbara Burck malt anders. Schicht für Schicht wachsen ihre Werke, bis die Künstlerin - und mit ihr hernach der Betrachter - das Licht, die Situation, die Haltung einer Person im Bild als typisch, als "genau-so" wiedererkennt.
Nie sind es literarische Vorlagen, die Barbara Burck zu ihrer Malerei anregen. Bilder entstehen aus Bildern, sagt man, und das stimmt interessanterweise selbst bei der Umsetzung erzählter Stoffe. Bilder entstehen aus Bildern und Barbara Burck selbst sagt, die besten Bilder sind "nicht die erzählerischen", sondern die, in denen der Farbklang perfekt stimmt, die Farbe den Bildraum besonders gut hervorgebracht hat und ausfüllt. Obwohl also nie die Erzählung angestrebt wird, beginnen die Werke Barbara Burcks für mich Geschichten zu erzählen, durch das Typische einer Situation, eines eingefangenen Blickes oder einer Bewegung. Sie erzählen Geschichten - und sei es durch die Stimmungen, die sie in uns hervorrufen.
Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Dr. Cornelie Becker-Lamers, Weimar