„ArtForm 3 – Kunsthandwerk und Design“

Rede zur Ausstellungseröffnung

während einführender Worte zur ArtForm 2 im Vorjahr, am 13. Juni 1996, ebenfalls im Löfflerhaus

Ausstellungshalle im Löfflerhaus Gotha, 23. Mai 1997

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

„Kunsthandwerk und Design“ ist heute zum dritten Mal der Titel einer Ausstellung hier im Löfflerhaus. Unter dem Arbeitstitel „Bauhaus gestern und heute“ hat Frau Kniffka Exponate zusammengestellt, in denen die Spuren wohl der ästhetisch-theoretischen Revolution unseres Jahrhunderts – eben des Bauhauses – in heutiger Kunst, in heutigem Kunsthandwerk wiederzufinden sind. Sie sehen Schmuck von Jutta Amling, Keramik von Susanne Worschech und Teppiche von Helga Höhne. Grundlage der vergleichenden Betrachtung mußten natürlich Reproduktionen der ‚klassischen’ Bauhaus-Arbeiten sein, an denen die ästhetischen und theoretischen Grundideen des Bauhauses abzulesen sind: Rückführung der Farbigkeit auf ungemischte Grundfarben, Geometrisierung der Formen, aber auch Typisierung der Gegenstände, um sie in die industrielle Produktion geben zu können.

Denn zwei Ideen trugen den Bauhaus-Gedanken: Zum einen die Idee, Kunst und Handwerk wieder zu verbinden, den Künstler durch Künstler, die damals sogenannten „Formmeister“ und durch Handwerker, die sogenannten „Werkmeister“, als „Steigerung des Handwerkers“ auszubilden, wie Walter Gropius sagt, und die Bildenden Künste Architektur, Bildhauerei und Malerei, die arte del disegno, wie es in der italienischen Kunstgeschichte heißt, alle wieder gleichberechtigt in den Dienst der Raumgestaltung zu stellen. Das war der eine tragende Gedanke.

Daneben entsprang die Idee, nach der exzessiven, überladenen Ornamentalität des Jugendstil auf eine Einfachheit der Formen und Farben zurückzugreifen, Formen wieder schlichter und damit lesbarer zu machen, nicht nur einem neuen Gefühl für Ästhetik. Ein Antrieb war auch, Typen von Gegenständen für eine neue, bezahlbare, aber im Design hochwertige industrielle Produktion – gerade auch aus Thüringen heraus für eine industrielle Produktion in Thüringen – zu schaffen. (Schon Henri van de Velde entwarf Textilien für die Produktion in Tannroda, Glas für Lauscha etc.)

Die drei Künstlerinnen, deren Werke Sie hier sehen, haben unterschiedliche Aspekte der Bauhaus-Idee in den Vordergrund ihrer Schaffensweise gerückt. Eine Typisierung der Kunstgegenstände für die industrielle Produktion werden Sie nicht entdecken können. Nur Jutta Amling hat diese Arbeitsweise überhaupt selber kennengelernt, da sie nach Abschluß ihres Studiums an der Fachschule für angewandte Kunst Heiligendamm acht Jahre lang in der Industrie als Schmuckgestalterin tätig war. Doch auch von ihr sehen Sie heute ausschließlich handgearbeitete Unikate.

Industrieproduktionen sind aber natürlich die Möbel, die in Lizenz von wenigen Möbelfirmen – Knoll International, Thonet Vienna, seit neuestem auch L&C Arnold Stendal – nach den Originalentwürfen nachgebaut werden. Damit komme ich auch detaillierter zum ersten Aussteller, nämlich zur Galerie Johannesstrasse im Studio für moderne Bürogestaltung Erfurt. Wir zeigen Ihnen in der heutigen Ausstellung die wahrscheinlich berühmtesten Entwürfe der Bauhaus-Designer: die Wagenfeld-Leuchte, den Barcelona-Sessel, von Ludwig Mies van der Rohe für die Weltausstellung in Barcelona 1927 entworfen, sowie den Sessel „Wassily“, den Marcel Breuer 1925 für seinen Freund und Kollegen Wassily Kandinski – zu der Zeit Lehrer am Bauhaus – entworfen hat. Bemerkenswert am Wassily-Sessel ist die Transparenz seiner Konstruktion: Zu einer Zeit, in der die bürgerlichen Wohnzimmer mit plüschbezogenen Ohrensesseln zugestellt sind, entwirft Breuer mit einer Art Ethik der Ehrlichkeit einen Sessel, der seine architektonische Konstruktion sichtbar und nachvollziehbar macht. Mit Stahlrohr zu experimentieren lag dabei in dieser Zeit in der Luft: In Paris arbeitete seit Beginn der 20er Jahre die irische Designerin Eileen Gray mit Stahlrohr in der Möbelproduktion und baute Tische und Kommoden in dieser Art. „Laccio“ heißt der Tisch, „laszlo“ dieser Hocker, den Breuer für die Mensa des Bauhauses 1925 entworfen hat. Bei allen Möbelstücken ist die Rückführung der Proportionen auf die Grundformen der Geometrie besonders auffallend.

Wie Ludwig Mies van der Rohe, von dem Sie außerdem einen Glastisch und den Sessel „Brno“ hier sehen, war Carl Fieger – von ihm sind diese Möbel hier – eigentlich Architekt. Beide Bauhäusler waren zu Beginn ihrer Laufbahn, vor dem Ersten Weltkrieg, im Architekturbüro von Peter Behrens angestellt. Peter Behrens glauben Sie vielleicht nicht zu kennen, Sie kennen aber mit Sicherheit mindestens eine seiner Arbeiten. Er war für die Elektrofirma AEG tätig, und entwarf im Jahr 1912 Schriftzug und Form, Einrahmung des AEG-Logos, wie es bis heute unverändert verwendet wird – d.h. offenbar weiterhin wirtschaftlichen Erfolg und Akzeptanz verspricht. Ich erzähle das, weil ich diese Geschichte beispielhaft finde dafür, was ich vorhin auch schon einmal ansprach: Daß nämlich die ästhetische Revolution der Zeit um den Ersten Weltkrieg bis heute nicht durch neue Formen abgelöst werden konnte. Die Werkbund- und Bauhaus-Zeit bildet auch für uns, die wir in den 50er, 60er Jahren geboren sind, das Fundament für das ästhetische Empfinden.

Ein sehr typisches, weil über Jahrzehnte gleichbleibend als ästhetisch empfundenes Werk der Bauhaus-Zeit ist dann noch die Wagenfeld-Leuchte von 1924. Die Höhe der Lampe entspricht genau dem Doppelten des Schirmdurchmessers, der Schirm ist eine gekappte, exakte Kugel, die Gestalt der Lampe beruht vollständig auf nachvollziehbaren Größenrelationen und geometrischen Grundformen. Nun soll es aber genug sein mit den Möbeln.

Susanne Worschech trägt in ihre Werke sicherlich am meisten von der Geometrisierung der Bauhaus-Ästhetik hinein. Auch die Nähe ihrer Objektkunst zur Raumgestaltung und zur Architektur ist hier am größten. Zufällig ist sie auch noch mit einem der namhaftesten Architekten Thüringens verheiratet. Seit einigen Jahren stellt sie in dem Design-Geschäft „Ambiente“ mit zum Verkauf aus, und wer den Laden am Erfurter Fischersand betritt, dem wird sofort auffallen, wie organisch und stimmig sich die Wandkeramiken und hohen Aufbaukeramiken Worschechs in einen durch Design gestalteten Raum einpassen. Diese Arbeiten sind nie Zutat zur Einrichtung eines Raumes, sondern immer Teil der Einrichtung, nie schmückendes Beiwerk, das auch unterbleiben könnte, sondern immer selber Ausstattung und Gestaltung des räumlichen Gefüges, in dem sie plaziert sind.

Als Ausgangspunkt der künstlerischen Arbeit bleibt die geometrische Form immer erkennbar. Es wird mit ihr gespielt, bewußte Risse in der Keramik sprengen das Quadrat auf oder ein Puzzle hat die innere Form sogar völlig aufgelöst. Selbst hier aber bleibt die negierte geometrische Form noch gefaßt im äußeren Quadrat und ruht auf den parallelen Rillen der Wellpappe, die in allen Wandobjekten dieser Art innere Form und Rahmen wie mit Fäden verbindet, das innere Quadrat im Rahmen gleichsam aufhängt. Bei den hohen Vasen taucht die Struktur der Pappe dann nicht als Untergrund, sondern als Muster auf der Oberfläche der Arbeit auf.

An wirklichen Fäden aufgehängt aber sind natürlich die Textilarbeiten von Helga Höhne. Nach Ideenskizzen, die den z. T. sehr strengen geometrischen Grundgedanken des Musters herausarbeiten, webt sich der Teppich, nimmt sich das Muster Freiheiten, wo es sie braucht, wird die Form in die Auflösung getrieben, wo die Skizze zu starr ist. Andererseits webt sich der Teppich auch wieder sehr genau nach den Skizzen, die mit rascher Hand aufs Papier geworfen werden. Wo der Fluß der Hand, des Stiftes den Strich dicker werden ließen, ist auch der Teppich mit mehr Fäden gewebt. So behalten auch die streng geometrischen Muster die Lebendigkeit der ersten Hand-Skizze.

Während des Webens sieht Höhne die Farben, die das Muster braucht, entwirft und wechselt die Farbigkeit der Arbeit im Schaffensprozeß. Figur und Fläche, Vorder- und Hintergrund können dabei in spannungsvolle Wechselbeziehungen treten, einer dem andern die Stellung streitig machen. Industrievorlagen natürlich schafft Höhne, anders als die Weberinnen aus den Bauhaus- Werkstätten, nicht. Doch verwirklicht sie das Ideal der erschwinglichen Arbeit in der Wahl ihrer Materialien: Die Teppiche, die Höhne webt, entstehen aus einfachen Stoffstreifen. Nahezu beliebig sind die Stoffetzen aus alten Kleidungsstücken ausgesucht, um zur Grundlage der Arbeit zu werden.

Die Schmuckstücke von Jutta Amling sind beispielhaft für vielseitigen Schmuck bei puristischer Reduktion der Materialien: Kupfer, Messing, Silber, zum Teil auch Holz und Kautschuck sind hier verarbeitet. Farbig werden die Arbeiten nicht durch Steine, sondern allein durch die reinen Farbtöne der polierten Materialien selbst. Formal ist auffällig, wie Ritzungen auf den Schmuckstücken die äußere Gestalt des Schmuckstücks konterkarieren, ja unterlaufen: Strenge geometrische Raster sind da auf schmeichelnd-jugendstilhaft geschwungenen Ohrstecker oder Ringe gesetzt.

Es gibt vielfältige Arten, mit dem Prinzip der Geometrisierung umzugehen, es zu unterlaufen, es zu nutzen, um Arbeiten zu fassen, zu typisieren, Serien und Reihen zu öffnen für unendliche Variationen. Wir möchten Sie einladen, mit den Künstlerinnen zu sprechen, sie auszufragen über ihre Arbeitsweise und ihr künstlerisches Konzept. – Alles werden sie ohnehin nicht preisgeben.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen einen schönen Abend!

Cornelie Becker