Martin tauft seine Mutter und missioniert in Ungarn

Ein Martinsspiel für vier Schauspieler und einige Statisten

(Martin hat vor langer Zeit den Militärdienst quittiert und sich taufen lassen, nachdem ihm Christus im Traum erschienen war. In Poitiers hat er bei Bischof Hilarius Theologie studiert. Nun reist er in seinen Geburtsort Sabaria in Ungarn, wo er seine Mutter wiederzufinden hofft, um auch ihr und allen Menschen dort von Jesus zu erzählen. Als er sie trifft, erkennt er sie sofort, gibt sich aber nicht gleich zu erkennen. Die Szene spielt vor dem Geburtshaus Martins. Seine Mutter kehrt gerade mit einem Besen die Straße sauber. Man sieht eine Bank, vielleicht einen Blumentopf, vielleicht können Tür und Stufen angedeutet werden.)

Martin: Guten Abend, gute Frau! Habt Ihr einen Schluck Wasser und ein Lager für einen weitgereisten Wanderer?

Mutter (sieht auf): Aber selbstverständlich! Kommt herein! Ihr seht wirklich müde aus!

Martin: Mutter! Erkennst du mich gar nicht? Ich bin es, Martin!

Mutter (in freudigem Erschrecken): Martin! Aber natürlich! Mein Sohn! Wie hast du dich verändert! Lass dich umarmen!

(Beide umarmen sich. Danach holt sie aus dem Haus einen Becher und einen Krug mit Wasser und reicht Martin etwas zu trinken. Sie setzen sich nebeneinander auf die Bank.)

Mutter (voll Anteilnahme): Aber sag, du bist ja gar nicht in Uniform.

Martin: Ich habe den Militärdienst verlassen. Ich bin jetzt Priester.

Mutter: Priester? Welchem Gott dienst du denn?

Martin: Dem Gott der Christen.

Mutter (ruft aus): Ach du liebe Güte! Bist du davon nicht losgekommen? Die Kirchen haben es dir ja schon lange angetan! Ich weiß noch, wie du als Kind - da warst du vielleicht 10 - immer in die Kirche gingest und begeistert davon erzählt hast. - (warnend) Aber hüte dich! Die Christen haben hier jede Menge Ärger! Es ist gefährlich, sich mit ihnen einzulassen! Wenn sie sich wenigstens untereinander verstünden ...

Martin: Du darfst die Fehler der Menschen nicht Christus zurechnen. Christus ist gut. Er ist mir im Traum erschienen und hat mich in seinen Dienst gerufen. Ich konnte nicht anders, als den Kaiser zu verlassen und zu Bischof Hilarius zu gehen.

Mutter: Na, bloß gut, daß das dein Vater nicht mehr erlebt hat ... Aber sag doch: Du hattest ein Traumgesicht?

Martin: Ja! Es war ein bitterkalter Winter, damals, als ich in Amiens in Gallien dienen musste. Wir kehrten auf unseren Pferden von einem Botengang zurück, mehrere Kameraden und ich. (An dieser Stelle können weitere Kinder die Szene im Hintergrund spielen, die Martin erzählt - als würde seine Erinnerung lebendig. Wenn nicht genug Kinder da sind, kann Martin selber durch Gesten seine Erzählung untermalen: Er steht auf, tut, als ob er ritte, nimmt ein Stück Stoff und "teilt" es mit einem Stock.) Vor dem Stadttor saß ein Bettler, der ganz erbärmlich fror. Alle ritten an ihm vorbei, spieen sogar vor ihm aus. Ich konnte nicht. Ich hielt und gab ihm die Hälfte meines Mantels.

Mutter: Das hast du getan?

Martin (schlicht): Ja. Die Strafe ließ nicht lange auf sich warten: Ich musste drei Tage in den Kerker, weil ich meine Dienstkleidung zerschnitten hatte.

Mutter: Ach ihr Götter!

Martin: Und da erschien mir Jesus im Traum und sagte, ER sei der Bettler gewesen und IHN hätte ich gekleidet. Denn was man einem anderen Menschen tut, das tut man Jesus - im Guten wie im Bösen. Jesus ist Teil von uns allen. Er ist unseren Seelen eingeprägt wie das Bild des Kaisers einer goldenen Münze.

Mutter: Martin! Wie du das so erzählst. Du strahlst solche Ruhe und Sicherheit aus. Wenn Christus diese Ruhe bewirkt, möchte ich auch Christin werden! Sag mir doch - wie kann ich mich taufen lassen?

Martin: Ich bin Priester, Mutter. Ich selbst kann dich taufen.

(Die Mutter kniet vor ihm nieder. Martin nimmt ein wenig Wasser aus dem Krug und besprengt damit ihren Kopf.)

Martin: Ich taufe dich im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Mutter (erhebt sich wieder): Martin! Wenn deine Kräfte es zulassen, lass uns bitte gleich einmal zur Kirche gehen. Ich möchte eure - (sie lacht) nein: unsere Gebete lernen.

(Sie erheben sich und sind nach einigen Schritten bei der Kirche angelangt. Vor der Kirche stehen Menschen und diskutieren heftig.)

Ein Mann (lautstark): Wurde Jesus nicht von Maria geboren? Wenn er Gott wäre, hätte er nicht geboren werden können! Jesus war ein Mensch. Ein besonderer Mensch zwar, aber ein Mensch.

Eine Frau: Natürlich! Anders ist es gar nicht vorstellbar. Jesus war Mensch - wie auch der Kaiser ein Mensch war und als Gott verehrt wurde (zu Martins Mutter) Constantia! Schön, dich zu sehen! Wen hast du mitgebracht?

Mutter (stellt Martin vor): Das ist mein Sohn Martin. Er hat lange im Dienst des Kaisers gestanden, ist nun aber Christ geworden - und sogar Priester. Ich habe mich von ihm taufen lassen.

Frau (umarmt die Mutter): Das freut mich! Endlich gehörst du zu uns!

Martin (höflich, aber bestimmt): Moment! Ich habe gerade nur wenige Sätze von euch aufgeschnappt, aber ich glaube, ihr hängt den Lehren des Arius an?

Mann: Natürlich! Wir sind Arianer! Das ist die einzig sinnvolle Art, Christus zu verehren!

Martin: Das Christentum, dem ich anhänge und in dessen Namen ich taufe, ist das katholische. Ich glaube, daß Christus sehr wohl ganz Gott und ganz Mensch war!

Mann (zu den anderen): Habt ihr das gehört? Er ist ein katholscher! (zu Martin): Scher dich bloß von hier wieder weg! Solche wie dich wollen wir hier nicht haben! (Er hebt einen Stein auf uns scheint ihn nach Martin schleudern zu wollen.)

Mutter (fällt ihm in den Arm): Brutus! Um Himmels Willen! Glauben wir nicht alle an den selben Gott? Sind wir nicht alle seine Kinder?

Martin (singt): Jesus ist Gott von Gott, Jesus ist Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott

Die Menge: Er war nur Mensch! Wir glaubens nicht!

Martin: Mit dem Vater eines Wesens und geborn vor aller Zeit.

Die Menge (bedrohlich auf Martin zu): Fort mit ihm! Kein Federlesen! Zu glauben sind wir nicht bereit!

(Martin und seine Mutter laufen vor der Menge davon, bis sie wieder bei ihrem Haus sind.)

Mutter: Martin! Wie furchtbar sind diese Streitigkeiten! Können wir denn nicht friedlich miteinander leben?!

Martin: Man muß Christus richtig verstehen, Mutter. Ich kann es nicht ertragen, wenn ich Menschen, die sich selber auch Christen nennen, solchen Unsinn reden höre.

Mutter: Ich fürchte, mein Sohn, dann bist du hier nicht mehr sicher. Alle hier sind Arianer.

Martin: Dann lass uns fortziehen.

Mutter: Ach, mein Junge! Sieh mal - ich bin so alt. Hier ist mein Zuhause - wie soll ich mich anderswo zurechtfinden?

Martin: Dann muß ich dich wieder verlassen.

Mutter: Ja, so ist es wohl. Auch wenn mir das Herz blutet: Gerade bist du mir neu geschenkt, da gehst du schon wieder fort! (Sie streicht sich mit der Hand über die Augen). Aber wenn es sein muß, dann, ja, dann geh! Lieber weiß ich dich anderswo in Sicherheit als hier in ständiger Gefahr! (Sie umarmt ihn) Ich werde dir noch Proviant richten für die nächsten Tage. (Sie geht ins Haus)

Martin (für sich): Nirgends bin ich hier sicher. Auf der Reise sind mir ganz ähnlich Menschen begegnet. Überall feinden sie mich an, weil ich katholisch bin und hier sind sie Arianer. (Er blickt in den Himmel und überlegt) Ich werde mich eine Weile in die Einsamkeit zurückziehen. Auf eine Insel - oder in eine Höhle. Dann kann ich zur Besinnung kommen und den Herrn bitten, mich wissen zu lassen, was er wirklich von mir will. (Entschlossen) So soll es sein! Ich ziehe mich in die Einsamkeit zurück!

Mutter (kommt mit einem Proviantpaket aus dem Haus): Du willst wirklich nicht mal eine Nacht hier bleiben und dich ausruhen?

Martin: Nein, Mutter! Danke für alles, aber ich glaube, es ist besser, wenn ich sofort wieder aufbreche. Sonst mache ich mir auch Sorgen um dich!

Mutter: Dann nimm aber wenigstens mein Pferd. Ich brauche es seit langem nicht mehr, es wird viel zu wenig bewegt und macht mir nur Arbeit! Nimm es mit! Es ist alt, aber ein gutes Tier!

Martin: Danke, Mutter! Leb wohl!

Mutter: Leb wohl!

(Sie umarmen sich und Martin geht davon. Der Reiter, der den nun folgenden Laternenumzug anführt, ist Martin auf seinem Weg nach Gallinaria, einer Insel im Mittelmeer, auf der er mehrere Jahre einsam lebte.)

 

Dr. Cornelie Becker-Lamers, Weimar

 

Das Martinsspiel erschien zuerst in der Handreichung "Aktion Kindertreff: Sankt Martin", Heft 3 (Sept.-Nov. 2011) der Abt. Kinderseelsorge des Bistums Erfurt. Text und Notenmaterial hier.